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Rolfunk 28/49 (Martin Turck)
Das Gemälde, Rolfunk 28/49’ besteht aus zwei Glasscheiben, die in geringem Abstand zueinander am oberen und unteren Bildrand durch Aluminiumleisten fixiert sind. Dieser – vom Künstler als Vitrine definierte – schmale Glaskörper dient als Bildträger. Die einander zugewandten Innenseiten zeigen eine aufgesprühte Lackschicht aus monochromen und annähernd horizontalen Farblinien in versetzter räumlicher Anordnung und kalkulierter Differenzierung in der Flächenausdehnung. Unbehandelte Partien beider Gläser erscheinen als transparente Streifen, die sowohl die hintere Bild- als auch die Wandfläche des Raums als neutralen Hintergrund durchscheinen lassen.* ,Rolfunk 28/49’ ist Teil einer 1997 begonnenen seriellen Werkgruppe** von 49 Arbeiten, in der sich der Künstler mit dem Thema der räumlichen Wahrnehmung in der Malerei auseinandersetzt. Formal bildet die Konstruktion der Bildträger einen realen Raumkörper. Seine skulpturale Plastizität wird durch die kompositorische Dominanz farbiger horizontaler Streifen auf vertikal parallelen Ebenen zurückgenommen und in eine raum-illusionistische Plastizität überführt. Die Addition der Streifen und die starke, kontrastierende Farbigkeit in der Vielzahl erzeugen komplexe optische – musikalischen Polyphonien vergleichbare - Wirkungen. Abhängig von der Lichtqualität und – intensität wird ein System von Intervallen, Relationen, Polyrhythmen und dissonanten Strukturen modelliert, das den immateriellen Bildraum realisiert. Lichteinfall, Spiegelung und Reflexion und der Wurf farbiger Schatten von Außen nach Innen steigern den Effekt der bildimmanenten Raumdimension. Konzeptuell für das serielle System, Rolfunk’ sind formale Abstraktion, autonome Systematik und äu0erste Exaktheit, während die Einzigartigkeit von, Rolfunk 28/49’ und jedes Werks der Serie durch einmalige Farbcluster und Farbpräferenzen sowie durch die Individualität im unregelmäßigen Auftrag des Lineaments begründet ist. Das Phänomen der Entgrenzung und Dematerialisierung des objekthaften Bildes durch die Dimension der Farbe entwickelt der Künstler jenseits formalästhetischer Prinzipien und unabhängig von malerischem Illusionismus. Kenntnisreich bezieht sich Sinisa Kandic auf Traditionen der abstrakten Avantgarden des 20. Jahrhunderts, die mit dem Thema der Objektivierung und Systematisierung räumlicher Wahrnehmung als künstlerische Aufgabe experimentieren. Die geometrische Abstraktion des Konstruktivismus, der Abstrakte Expressionismus der US-amerikanischen Nachkriegszeit und sein Gegenpart in der Minimal Art sind internationale Positionen dieser Analyse. Theorien der Konkreten Kunst sind als weitere wesentliche Prämisse zum Verständnis von, Rolfunk’ zu sehen. Der Streifen als bildnerisches Element, das nur sich selbst bedeutet, lenkt die Konzentration auf Konzepte des Konkreten. Die elementare Form erlaubt dem Künstler, mit reduziertem Vokabular verschiedene Aspekte der Farbe, ihrer Intensität, Ausdehnung und Mischung zu untersuchen. Modulare und serielle Ordnungen und komplexe Flächen- und Farbfeld- Strukturen; wurden in den letzten Jahrzehnten insbesondere von zeitgenössischen Künstlern der Schweiz diskutiert und weiter entwickelt. Bereits vor seiner Ausbildung an der Düsseldorfer Kunstakademie wird Sinisa Kandic durch die künstlerischen Experimente und Debatten zu den Formgesetzen und Ordnungen der Konkreten Kunst in seinem Heimatland beeinflu8t und geprägt worden sein. Seine kleinformatigen Glasarbeiten basieren gleichfalls auf kunsttheoretischen Überlegungen. Der Künstler legt der Werkgruppe, Rolfunk’ Edmund Burkes zu Ende des 18. Jahrhunderts verfasste philosophische Ästhetik zur Definition des Schönen zugrunde. Burke beschreibt im Kapitel, Schönheit in den Farben’ einen Katalog von Eigenschaften, die Schönheit hervorrufen: für das kleine, glatte und zart konstruierte Werk sieht er reine und klare Farben vor. ”(Sind) die Farben stark und lebhaft, so müssen sie abgewechselt, und der ganze Gegenstand muß nicht von einer einzigen starken Farbe seyn; ihrer müssen (...) fast immer so viele seyn, daß die Stärke und der Glanz einer jeden durch die übrigen gemäßigt wird”.*** Sinisa Kandics Systematik aus Formgesetzlichkeit und farbtheoretischer Überlegung verwandelt den materialen Raumkörper in die abstrakte Immaterialität des Bildes und erzeugt Perfektion, Harmonie und sinnlich empfundene Schönheit. Ihre Konsequenz ist Ausdruck absoluter Freiheit und intellektueller Radikalität.****
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