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Weightlifter_sinisaKandic (Daniela Hölzl) „What is it, that makes a russian metaphor so much more appealing than a western one? “ Liegt es in der Einfachheit dessen, was Metapher heißt: eine Funktion der Form = eine Funktion des Inhalts. Wassily Iwanowitsch Alexejew erscheint eines Tages unabweisbar im Denken des Protagonisten. Eine Fotografie des sowjetischen Gewichthebers in einem Magazin ruft sein Kinderwissen über den ungeschlagenen Meister, dreißigfachen Rekordhalter in der Schwergewichtsklasse wach, der zu seiner Zeit, im kalten Krieg und im zu Ende gehenden Sowjetstaat verbraucht, aber nicht übertroffen war. So ist diese Ausstellung eine Hommage. Und eine Erörterung analoger und digitaler Codes oder der Möglichkeit Ähnlichkeit mit unähnlichen Mitteln herzustellen. Um dem Illusionismus, der Narration zu entgehen, erfand sich Siniša Kandić einst „Vitrinen“, in denen durch zwei Schichten Glas die strenge Geometrie der Malerei Bildräume eröffnen konnte. Bildräume wurden zu Raumbildern, in sandgestrahlten „Textfenstern“ waren die verschiedenen Zeitebenen der Betrachtung eingelassen (siehe hiezu die Texte von Ljiljana Radlovic und Thomas W. Kuhn). Im Glaskörper, dem corpus vitreum des Auges bricht sich die Welt. Dort wo Geäst, das Dickicht im Unterholz sich lichtet, scheint der verfallene, unzeitig postmoderne Baukörper des Hotel „Palace“ auf der Insel Krk sich abzuzeichnen und verschwindet wieder im Nebel. Der webt und entflicht, man sieht kaum wie sehr die Nervenbahnen, verästelt, dem Wachstum der Bäume gleichen. Wahrnehmung antizipiert schematisch, was wir erkennen, aber das Ich-selbst entsteht nur in der Reflexion im Spiegel. Um im ursprünglich analogen Prinzip der Malerei einen Code zu gewinnen, reduziert Siniša Kandić sein Malmaterial, er verwendet den alltäglichsten, einen bedeutungslosen und doch persönlichen Stoff: Kaffeepulver generiert, überlebensgroß, das verfremdete Foto, den erinnerten Schemen des Sportheroen – ein indexalisches Verfahren, wie die Spuren im Glas. Wie ist es, wenn einer sich hebt? Ein Vielfaches seines Gewichts, sich selbst, hoch über sich hinaus stemmt. Die Überwindung der Grenze ist bestimmt als der Moment, in dem die Übersetzung greift. Gewiss ein Synapsengewitter, ein Sturz, die Entladung der Spannung. Doch es bedarf der Formation und Transformation um zur visuellen Figur zu gelangen. Unentwegt ereignet sich Verschiebung: Metonymie. Die Codes der abstrakten Malerei, die Algorythmen der synthetischen Musik sind zwangsläufig zerebral, nur im Rhythmus, sei er sichtbar, hörbar oder spürbar, in der Sensation des Sturzes gewinnen sie unmittelbare Einwirkung auf das Nervensystem. Wie aus Traumresten gewinnt einer daraus Blickmaterial, Klangmaterial, moduliert so verstreute Bilder aus Vergangenheit (oder Zukunft) zur Form. Diese Form ist dynamisch. Ihre Einheit ist, wie J. Tynjanov, Theoretiker des russischen Formalismus schon 1927 schrieb, sich allmählich entfaltend, sie entsteht in Korrelation und Integration. Auch im Unkenntlich-machen um der Darstellbarkeit willen. Die Diagonale schien Siniša Kandić lange den Illusionen der Figuration verpflichtet. Heute zeigt sich, gefährlich unter den Hanteln des Gewichthebers platziert, das Muster auf der Rückseite einer Tarotkarte aus nichts als Diagonalen gebildet. Aber was könnte flacher sein, als die Rückseite einer Karte, die einem, wenn man sie dreht und wendet, die Zukunft zeigt. Oder steigt diese aus den Nebeln unserer Erinnerung, wie aus dem Ozean in Tarkovskijs „Solaris“. |