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hula loops

(Thomas W. Kuhn)

Der Titel unter dem Siniša Kandic seine neuen Arbeiten präsentiert, lässt im ersten Augenblick an das hawaiische Reifenspiel denken, das in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den USA und Westeuropa populär wurde: Hula-Hoop. Tatsächlich handelt es sich um den Titel eines Musikstücks der britischen Elektronik-Band RAC. Der Wortteil „Loop“ verweist hier auf ein typisches kompositorisches Element der elektronischen Clubmusik, der Schleife, in der Klänge rhythmisch wiederholt werden, Teil einer musikalischen Schichtung und Strukturierung, ein Verfahren, das auch in visuell angelegten digitalen Kompostionsprogrammen für den Computer angewendet wird.

Siniša Kandic hat zum einen dieses kompositorische Prinzip für seine Glasbilder aufgegriffen und ins Bildhafte übertragen, und zum anderen konkrete Websites des Plattenlabels WARP „gesampelt“, jener Firma, bei der RAC die Aufnahme veröffentlichte, aus der Kandic den Titel seiner Ausstellung abgeleitet hat. Die Bezugnahme zur Musik entspricht den früheren Arbeiten Kandics: farbige Streifen auf, bzw. hinter Glas, zum Teil in mehr grafischen, zum Teil in eher malerischen Fassungen. Aber während dort die Beziehung zur Musik synästhetischer Art war, verweisen hier nun Titel im Bild explizit auf die Musik. Der Begriff des Designs steht durch die Übernahme von Motiven der Homepage von WARP im Raum, deren hypertextuelle Struktur sich auch bei Kandic durch die Verlinkung einzelner Bilder findet. Jenseits der seit Dada bekannten Beziehungen zur angewandten Grafik in der Kunst lenkt der Begriff zurück in die italienische Renaissance, wo er als Disegno zentraler Bestandteil der Kunsttheorie war. In diesem Zusammenhang meint Design mehr als nur den konzeptuellen Entwurf eines Werkes, sondern implizit auch seine antizipierte potenzielle Wirklichkeit.

Auch die Arbeiten Siniša Kandics bewegen sich zum Teil im Potenziellen. Die Dynamik seiner Arbeiten, die sich immer einer letztendlichen Vollendung in der Anschauung entzieht, liegt in der Reflektion des Außenraumes auf den Glasscheiben. Über diese Reflektionen bildet sich nicht nur der Raum, sondern auch der Betrachter im Bildfeld ab. Siniša Kandic macht diesen Aspekt sichtbar, indem er die ersten beiden Protagonisten dieser Reflektionen neben den grafischen Elementen der Homepage von WARP in Erscheinung treten lässt: den Atelierraum und sich selbst. Hier bedient er sich der Fotografie, die digital in ein monochromes Kontrastbild aufgelöst und vergröbert in sandgestrahlter Form auf den Glasfächen erscheint. In dieser Beziehung zum Raum liegt eine Parallele grundsätzlicher Art zur Musikaufnahme: 1. der Raumklang der Aufnahme und 2. die Akustik des Raumes, in dem die Aufnahme abgespielt wird. Beides überlagert sich in der aktuellen Erfahrung.

Mit diesem dynamischen Schwebezustand des Bildes bezieht sich Kandic auf ein grundsätzlich geändertes Paradigma hinsichtlich der Schlüsselmetapher für das, was ein Bild ist. Es ist nicht mehr das geöffnete Fenster der Renaissance, hinter dem der unveränderliche, perspektivisch konstruierte Raum liegt, es ist die Braunsche Röhre, deren Kathodenstrahl die Bilder im Zeitfluss dynamisch zum leuchten bringt, während die Mattscheibe, im günstigen Winkel, den Betrachter spiegelt und bestrahlt.